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Das ist der „Keweler Weg“

Die Jugendabteilung der SGB gilt traditionell als Aushängeschild für Jugendfußballer im Altkreis Hanau. Auf den beiden Fußballplätzen am Wald wurden in den letzten Jahrzehnten hunderte Junioren-Kicker für den Seniorenbereich ausgebildet, die anschließend für die SG Bruchköbel selbst oder Vereine aus dem Umland aktiv gespielt haben oder noch spielen. In den letzten Jahren ist die Konkurrenz im Jugendbereich jedoch größer geworden. Erlensee mit komplett neuer Sportanlage, Alzenau und auch Karben sind nicht nur sportliche Konkurrenten, sondern werben auch um die besten Jugendfußballer aus Bruchköbel und Umgebung.

Grund genug mit dem Sportlichen Leiter der SGB-Jugendabteilung, Narek Yeghiazaryan (27), über den Status, die Ambitionen und den etwas „anderen Weg“ der SGB-Jugendabteilung ein Gespräch zu führen.


Hallo Narek, der Name Yeghiazaryan lässt vermuten, dass Deine familiären Wurzeln nicht gerade in Kewel, Issgem oder Butterstadt liegen…
NY (lacht): „Das stimmt. Ich bin in Armenien geboren und mit zwei Jahren mit meiner Familie nach Deutschland gekommen. Ich wohne in Langenselbold, bin dort bei den 1910ern groß geworden und seit Sommer 2016 bei der SG Bruchköbel. Zunächst als reiner Jugendtrainer, seit Juli 2019 in Doppelfunktion als Jugendtrainer und Sportlicher Leiter der Jugendabteilung. Ich bin also kein waschechter ‚Keweler Bub‘, aber ich habe in all‘ diesen Jahren die DNA der Stadt und des Vereins inhaliert. Zudem gibt es mit Jugendleiter Helge Schröder und seinem Stellvertreter Tobias Müller zwei Mitstreiter an meiner Seite, die hier seit Jahren verwurzelt sind. Ich bin also quasi adoptiert…“

Die Konkurrenz im Jugendbereich ist groß, warum sollten fußballbegeisterte Jungen oder Mädchen ausgerechnet zur SG Bruchköbel kommen?
NY: „Für Kinder und Jugendliche aus der Kernstadt selbst, sind wir mit Sicherheit die erste Anlaufstelle. Das liegt zunächst mal in der Natur der Sache und hat neben der sportlichen Stellung der SGB als Nummer 1 in der Stadt auch etwas mit dem Freundeskreis und der Schule zu tun. Für Jungs und Mädchen außerhalb des Stadtgebiets spielt sicherlich der Kunstrasenplatz, der ein ganzjähriges Training ermöglicht, sowie die Ligazugehörigkeit unserer Leistungsmannschaften, die von der C- bis zur A-Jugend allesamt in der Gruppenliga Frankfurt spielen, eine bedeutende Rolle. Das sind zunächst mal die offensichtlichen Faktoren.“

Und die weniger ‚offensichtlichen Faktoren‘?
NY: „Das sind Faktoren, die bei den Jungs und Mädchen zunächst mal eher nicht an erster Stelle stehen, die aber für die Elternschaft eine große Bedeutung haben. Beispielsweise die Frage nach der Qualifizierung der Jugendtrainer in der jeweiligen Altersklasse. Oder: Wie sind die Entwicklungsmöglichkeiten von meiner Tochter oder meinem Sohn von den Bambinis hin bis zum Seniorenbereich?“

Was antwortest Du diesen Eltern?
NY: „Dass wir im Leistungsbereich von der C- bis zur A-Jugend mit der jeweiligen Gruppenligazugehörigkeit das aus meiner Sicht beste Paket in Sachen sportlichen Ambitionen bieten, die sich prima mit dem schulischen Alltag kombinieren lassen. Ich habe viele Kinder und
Jugendliche gesehen, die an den Anforderungen Hessenliga zu spielen und parallel dazu einen ordentlichen Schulabschluss hinzulegen ‚kaputt’ gegangen sind. Dieser Leistungsdruck ist teilweise Stress pur, führt zu Frust in den Familien und nicht selten dazu, dass die Jugendlichen
mit dem Kicken irgendwann ganz aufhören. Das passiert bei uns nicht. Was die Qualifizierung der Trainer anbelangt absolvieren gerade acht Jugendtrainer eine Lizenzierung beim Hessischen Fußball-Verband, zwei weitere Trainer haben die B-Lizenz und könnten damit an einem Nachwuchsleistungszentrum eines Profiklubs trainieren. Das macht mich total stolz und zuversichtlich, dass wir mit dem Vertrauen in die vorhandenen Kräfte absolut richtig liegen und wir alle – Jugendspieler, Elternschaft, Jugendabteilung und Seniorenbereich – schon jetzt
aber auch in Zukunft davon profitieren werden. Diese Qualifizierungsoffensive ist übrigens ein enormes Verdienst von unserem Jugendleiter Helge Schröder, der da total hinterher ist. Aber
weißt Du was mir am meisten Freude bereitet?“

Kläre uns auf…
NY: „Das ist die Arbeit im Trainer-Team mit den Kollegen Kenan Kocak, Osman Özdemir – der seit Jahren einen prima Job bei uns macht – und Erstmannschafts-Ikone Rodney Kurz. Rodney ist zudem ein erstklassiges Beispiel für den ‚Keweler Weg‘. Er hat in seinen jungen Jahren in
Bruchköbel 1. Mannschaft gespielt, ging dann auf Wanderschaft und kam im Winter 2019/20 zurück in den Seniorenbereich. Aber: Der Erstkontakt zu ihm entstand im Frühjahr 2019 durch die Jugendabteilung. Rodney übernahm dann ein paar Wochen später die C1 und somit ein halbes Jahr bevor er selbst wieder als Aktiver bei der SGB auf Torejagd ging. Seine Rückkehr via Jugend- in den Seniorenbereich zeigt doch eindeutig die Anziehungskraft der SG
Bruchköbel in beiden Bereichen! Darüber hinaus gibt es noch ein spezielles Projekt, das mir ganz besonders am Herzen liegt.“


Nämlich?
NY: „Mein Herzensprojekt A-Jugend. Auch das steht ganz im Zeichen vom ‚Keweler Weg’. Mein einstiger Kapitän in der B1, Paul Martí Kern, mit dem wir in der Saison 2018/19 auf Kreisebene sämtliche Titel geholt haben und der dann vor der Saison 2019/20 nach Erlensee gewechselt ist, um dort Hessenliga zu spielen, hat sich vor dieser Spielzeit ganz bewusst für eine Rückkehr zur SGB entschieden. Der Junge hätte in Erlensee bleiben oder locker zu einem anderen, höherklassigen Klub gehen können. Aber: Er liebt die SGB, er liebt den Sportplatz am Wald – weil er dort seit den Bambini-Zeiten kickt und jetzt wieder als Kapitän der A-Jugend mit seinen alten Kumpels den Aufstieg in die Verbandsliga Süd erreichen möchte. Im Sommer 2020 und
unmittelbar nach seiner Rückkehr hat ihm Erstmannschaftstrainer Claus Schäfer dankenswerterweise die Möglichkeit gegeben vier Wochen in der Vorbereitungsphase der Gruppenliga-Mannschaft ganz oben mit zu trainieren. Das war toll für den Bub – und er hat es mit seinen damals 16 Jahren klasse gemacht. Das ist ‚der Keweler Weg‘! Nebenbei bemerkt ist
Paul auch noch mein Co-Trainer bei der D1 und dient diesen Jungs als bestes Beispiel für unsere Ausbildungsphilosophie.“

Apropos Rückkehr bzw. Abwanderung: Ist der Trend hin zum Vereinswechsel in Richtung Fliegerhorst immer noch so stark wie Mitte der 2010er Jahre?
NY: „Wir hatten im Sommer einen D-Jugend- sowie einen B-Jugendspieler, die nach Erlensee gewechselt sind. Dafür sind Paul und sein Partner aus der Innenverteidigung der letztjährigen Hessenliga B-Jugend des FCE, Jakob Opitz – der ebenfalls eine Bruchköbeler Vergangenheit hat – , zurückgekommen. Ich denke das sagt alles.“

Die A-Jugend spielt bislang eine Klasse-Saison in der Gruppenliga Frankfurt, ist noch ungeschlagen und hat in einem Vorbereitungs-Testspiel im Spätsommer 2020 die Kreisoberliga-Mannschaft von Erlensee am Fliegerhorst mit 4:3 geschlagen. Wie sieht es mit der Durchlässigkeit dieser talentierten Jungs vom Jugend- in den Seniorenbereich aus?
NY: „In diesen Jungs, die sich aus den Jahrgängen 2002 und 2003 rekrutieren, steckt jede Menge Potenzial! Manch einer aus dem älteren Jahrgang kam bereits in unserer Reserve, die Tabellenzweiter in der Kreisliga A Hanau ist, zum Einsatz. Wir wissen um deren Qualitäten und haben die Jungs absolut auf dem Bildschirm. Ganz unabhängig vom diesjährigen A-Jugend-Jahrgang gehören 15 (!) im Jugendbereich der SG Bruchköbel ausgebildete Spieler dem diesjährigen Kader der Reservemannschaft an. Das zeigt glaube ich recht eindrucksvoll, wie sehr wir in Kewel auf eigene Spieler oder solche, die schon mal bei uns waren und zurückkommen, setzen.“

Was sind Deine Ziele fürs neue Jahr und darüber hinaus?
NY: „Da gibt es sportliche und strukturelle Ziele. Strukturell gesehen werden wir ab dem kommenden Sommer erstmals wieder seit 2015 in jeder Altersklasse mindestens zwei, teilweise sogar drei Mannschaften an den Start schicken. Diesen Zustand möchte ich auch über das Jahr 2021 hinaus aufrechterhalten. Mit den administrativ Verantwortlichen Mitstreitern im Jugendbereich sowie dem gesamten Trainerteam möchte ich zudem dafür sorgen, dass wir die seit 18 Monaten gewonnene Stabilität im Leistungsbereich unserer Jugendmannschaften ganzheitlich ausbauen. Zudem wollen wir natürlich alle unsere talentierten Spieler vom ‚Keweler Weg‘ überzeugen und im Falle der A-Jugend einen möglichst reibungslosen Übergang in den Seniorenbereich ermöglichen. Sportlich betrachtet arbeiten wir am Aufstieg der D-Jugend in die Gruppenliga Frankfurt sowie der A-Jugend in die Verbandsliga Süd. Dafür werden wir alle gemeinsam kämpfen.“

Vielen Dank für das ausführliche Interview, Narek. Wir werden den ‚Keweler Weg‘ weiterhin verfolgen.