Bruchköbel – Auf 60 Jahre geballte Schiedsrichtererfahrung kommt das Vater-Sohn-Duo Werner und Jens Jüngling von der SG Bruchköbel. Wie so viele andere Handball-Referees auch sind die Jünglings vor 30 Jahren aufgrund von Schiedsrichtermangel bei der SGB zum Pfeifen gekommen. Bereut haben es die beiden bis heute nicht. Im Gegenteil, pfeifen ist für sie mehr als harte Vereinsarbeit. Zum Re-Start im Handball plädieren die erfahrenen Referees für mehr gegenseitige Rücksichtnahme.
Begonnen hat die Schiedsrichter-Karriere der beiden rührigen Vereinsmenschen vor 30 Jahren. Jens Jüngling war damals selbst aktiver Spieler in der ersten Mannschaft der SGB und erinnert sich noch gut an die Situation 1989/90: „Damals gab es bei der SG Bruchköbel einen akuten Engpass und das Damoklesschwert drohender Punktabzüge schwebte über dem Verein. Papa hat mich dann mehr oder weniger überredet.“
Werner Jüngling war zu der Zeit im Vorstand der Handballer und bekam die brenzlige Situation noch näher mit als sein Junior. „In dem Alter damals konnte ich Jens noch leicht überzeugen, dass es nötig und wichtig ist“, erzählt der 71-jährige lachend von der Verpflichtung seines Sohnes als Schiedsrichter und sagt: „Dass es wichtig ist, hat Jens ja selbst erkannt. Sonst wäre er heute nicht mehr dabei.“
Gemeinsam absolvierten die Bruchköbeler Handballer, Werner spielte seit seinem zehnten Lebensjahr für die SGB und war auch zehn Jahre lang Vorsitzender, den Lehrgang und leisten seitdem ihren Dienst an der Pfeife. Das ist Ehrensache für Werner und Jens Jüngling, denn einerseits seien Unparteiische für ihren geliebten Handballsport unablässig, andererseits zähle ihr Heimatverein in Sachen Schiedsrichter-Soll fest auf die Jünglings, die allerdings unterschiedliche Wege eingeschlagen haben.
Werner Jüngling ist Einzelschiedsrichter geblieben, während der 50-jährige Jens im Gespann (mit dem Bürgeler Manfred Lampe) pfeift und damit auch höherklassige Spiele leitet. Besonders der Teamgedanke macht das Pfeifen für Jens Jüngling interessant. Dazu zählt nicht nur, als Team auf dem Feld aufzutreten, sondern auch die gemeinsame Nachbetrachtung des Spiels.
Außerdem schätzen Vater und Sohn sehr den Austausch mit anderen Schiedsrichtern und Vereinen. Werner Jüngling hält sich durch den Dienst an der Pfeife fit und jung, wie er sagt. „Als älterer Mensch bekommt man Bewegung, man kommt mit jüngeren Menschen in Kontakt und tut dem Verein weiterhin einen Gefallen“, fasst der 71-Jährige seine Beweggründe, die Hallenschuhe noch nicht an den Nagel zu hängen, zusammen.
Dementsprechend freuen sich beide, dass der Anpfiff zur neuen Saison ertönt ist. Von null auf 100 geht es nach der langen Corona-Pause aber auch bei den Unparteiischen nicht. Daher gab es Vorbereitungslehrgänge, bei denen Regeln gepaukt und knifflige Spielszenen erörtert wurden. Und Testspiele sind für die Schiedsrichter genauso wichtig wie für die Mannschaften, um wieder in Form zu kommen und um besonders jene Regeln, die eher selten zur Anwendung kommen, wieder präsent zu haben.
Jens Jüngling, der jede Position auf dem Feld von Spieler über Trainer bis Referee schon ausgefüllt hat oder noch ausfüllt, plädiert daher für gegenseitige Rücksichtnahme: „Die Schiris hatten auch Pause, da muss jetzt wieder Routine reinkommen. Der Wettkampf muss für alle bei und die Leistungen werden sich dann bei allen allmählich steigern.“ Dem kann Werner Jüngling, der bei der SGB bereits einige Vorbereitungsspiele geleitet hat, nur zustimmen.
Auf der Platte profitieren Vater und Sohn dann auch von ihrem dicken Fell, Kommentare und Rufe von den Rängen lassen die Routiniers in der Regel kalt. Jens Jüngling, der aktuell bei der SG Bruchköbel III als Trainer an der Seitenlinie steht, bringt auch jede Menge Verständnis mit. „Solange niemand beleidigend wird, ist eigentlich alles in Ordnung. Ich habe überhaupt kein Problem damit, über Szenen zu reden – am besten natürlich im Nachgang. Schließlich sollten Schiedsrichter die Fähigkeit haben, während eines Spiels mit den Beteiligten zu kommunizieren und so das Spiel zu leiten.“ Sein Grundsatz lautet, dass Emotionen kein Problem sind und zum Handball dazu gehören, solange sich alle Beteiligten nach dem Spiel in die Augen schauen können.
Mit Sorge betrachten die Jünglings allerdings die Entwicklung im Bereich der Schiedsrichter-Neulinge. Allzu oft hören Neulinge nach ein paar Jahren wieder auf. Teilweise, weil sich die Lebensumstände ändern, aber auch teilweise, weil das Pfeifen nicht immer Zuckerschlecken ist. „Da müssen sich manche Spieler auch mal an die eigene Nase greifen. Ohne Schiedsrichter finden keine Spiele statt, daher muss man sich auch mal auf die Zunge beißen und den Kommentar verkneifen“, bezieht der 50-jährige Jens Jüngling klar Stellung und wiederholt den wichtigen Aufruf zu mehr gegenseitiger Rücksichtnahme und Respekt in den Sporthallen.
Dann kann aus dem aus Sicht vieler Vereine notwendigen Muss für die Schiedsrichter ein schönes Hobby werden.